Entscheidungen zum Arbeitsrecht
Quelle: Kostenlose Urteile
Stand: 03.08..2023
Zur Entgeltfortzahlung während der Kündigungsfrist bei Krankschreibung
Wer in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Kündigung während der gesamten Kündigungsfrist der Arbeit aufgrund eingereichter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fernbleibt, muss damit rechnen, dass er unter Umständen keine Entgeltfortzahlung beanspruchen kann.
(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.05.2023, 2 Sa 203/22)
Urlaub verjährt nicht automatisch
Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
(BAG, Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20)
Verlängerung der Überlassungshöchstdauer durch Tarifvertrag möglich
Bei einer vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kann in einem Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche abweichend von der gesetzlich zulässigen Dauer von 18 Monaten eine andere Überlassungshöchstdauer vereinbart werden.
Diese sei auch für den überlassenen Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber (Verleiher) unabhängig von deren Tarifgebundenheit maßgebend.
(BAG, Urteil vom 19.09.2022, 4 AZR 83/21)
Ver.di ist auch in Pflegebranche tariffähig
Mit der Entscheidung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts steht fest, dass die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) tariffähig ist. Damit kann sie Tarifverträge auch in der Pflegebranche abschließen.
(BAG, Beschluss vom 13.09.2022, 1 ABR 24/21)
BAG zur Unpfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung
Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach
§ 850 a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.
(BAG, Urteil vom 25.08.2022, 8 AZR 14/22)
Kein Erschwerniszuschlag für Tragen einer OP-Maske
Das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske (sog. OP-Maske) auf Anweisung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Corona-Schutzmaßnahmen erfüllt nicht die Voraussetzungen für den Erschwerniszuschlag nach § 10 Nr. 1.2 des Rahmentarifvertrags für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 (RTV)*.
(BAG, Urteil vom 20.07.2022, 10 AZR 41/22)
Kündigung trotz Elternzeit zulässig
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung einer Arbeitnehmerin während der Elternzeit wegen nicht angenommenen Änderungsangebots als wirksam erachtet.
(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.07.2022, 16 Sa 1750/21)
Arbeitgeber dürfen Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer anordnen
Der Arbeitgeber kann zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sein, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen.
(BAG, Urteil vom 01.06.2022, 5 AZR 28/22)
Kein Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz
In der Insolvenz des Arbeitgebers besteht kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers. Ist ein solcher Anspruch vor Insolvenzeröffnung bereits gegenüber dem Schuldner entstanden, erlischt er mit Insolvenzeröffnung, so das Bundesarbeitsgericht. Die Insolvenzordnung bindet durch § 108 Abs. 1 InsO den Insolvenzverwalter nur an bereits vom Schuldner begründete Arbeitsverhältnisse, kennt jedoch keinen Kontrahierungszwang des Insolvenzverwalters. Einen solchen Zwang kann nur der Gesetzgeber anordnen.
(BAG, Urteil vom 25.05.2022, 6 AZR 224/21)
Mindestlohn nicht gegen Insolvenzanfechtung gesichert
Bei Insolvenz des Arbeitgebers kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO vom Arbeitnehmer das zu bestimmten Zeitpunkten ausbezahlte Arbeitsentgelt zu Gunsten der Insolvenzmasse zurückfordern. Dies dient der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger nach den insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln. Der Rückgewähranspruch umfasst das gesamte Arbeitsentgelt einschließlich des gesetzlichen Mindestlohns. Der Gesetzgeber hat den Mindestlohn nicht anfechtungsfrei gestellt.
(BAG, Urteil vom 25.05.2022, 6 AZR 497/21)
Keine Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch fehlende Sollangaben
Das Fehlen der sog. Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG führt für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit.
(BAG, Urteil vom 19.05.2022, 2 AZR 467/21)
Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess
Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden - kurz zusammengefasst - erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.
(BAG, Urteil vom 04.05.2022, 2-5 AZR 359/21)
Tarifliche Corona-Prämien sind pfändbar
Nach Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg sind die tariflichen Corona-Prämien im Bereich des regionalen Nahverkehrs für die Jahre 2020 und 2021 kein unpfändbares Arbeitseinkommen und können unter Beachtung der Pfändungsfrei-grenzen gepfändet werden.
(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.04.2022, 23 Sa 1254/21)